Im Namen des Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit: Dr. Gaby Trost-Brinkhues und Dr. Andreas Oberle
Das Bündnis KJG e. V. bedankt sich für die Gelegenheit, im Rahmen der Verbändeanhörung Stellung zum Referentenentwurf des Gesetzes der Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz – IKJHG) nehmen zu können.
Das Bündnis KJG hat sich intensiv und aktiv in den Beteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel” eingebracht und begrüßt die Intention des Gesetzes der Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz – IKJHG) ausdrücklich. Auch mit dem vom Kindernetzwerk e. V. mit zahlreichen Betroffenen zusätzlich durchgeführten „Think Tank” war der Beteiligungsprozess transparent und zukunftsorientiert. Eventuell gibt es von weiteren Verbänden, die von Ihnen zur Stellungnahme aufgefordert wurden, noch Anmerkungen.
Perspektivisch wird durch dieses Gesetz die Grundlage für die grundsätzlich inklusive Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe und die gemeinsame Verantwortung für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Beeinträchtigung geschaffen. Hiermit kommt eine Entwicklung zum Abschluss, die der tatsächlichen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonventionen auch für Deutschland entspricht.
Das Recht auf Eingliederungshilfe, auf Entwicklung und Teilhabe als Rechtsanspruch eines Kindes oder Jugendlichen bis zum 21. Lebensjahr mit Beeinträchtigung wird um einen weiteren Anspruch auf Hilfen und Leistungen zur Erziehung für Kinder und Jugendliche selbst vervollständigt. Das bisherige Recht der Sorgeberechtigten auf Hilfen zur Erziehung bleibt erhalten. In zwei offenen, und damit noch weiter zu entwickelnden Leistungskatalogen wird den bereits mit dem BTHG initiierten Prozess einer inklusiven Eingliederungshilfe Rechnung getragen.
Mit großem Unverständnis und Unmut realisieren die Fachverbände des Bündnisses Kinder- und Jugendgesundheit e.V. den völligen Wegfall einer grundsätzlichen Beteiligung von interdisziplinärer Fachexpertise.
Es wird vielmehr der bisher mit diversen komplexen Behinderungsformen nicht konfrontierten Jugendhilfe zugemutet, fachfremd zu entscheiden, ob eine irgendwie geartete ärztliche „Bescheinigung“ eine ausreichende Grundlage für den zu erstellenden Hilfe- und Leistungsplan darstellt.
Die immer wieder geforderte Multiprofessionalität und Transparenz im Prozess der Teilhabeentscheidung wird damit auch bei Elternbeteiligung aus unserer Sicht umgangen, wenn die nötige Fachkompetenz zur Beurteilung ärztlicher Stellungnahmen nicht vorliegt. Teilhabebedarfe entstehen unabhängig von offensichtlicher Behinderung häufig auch im Rahmen von chronischen Erkrankungen der Kinder und Jugendlichen. In diesem Zusammenhang ist, in enger Abstimmung mit den Betroffenen und ihrem betreuenden Umfeld, der Einbezug eines multiprofessionellen Teams mit medizinischer Expertise wichtig und notwendig.
Die in § 35 d (neu) Hilfen zur Teilhabe an Bildung (1) 2. geforderte Voraussetzung, dass Hilfsmittel nur dann gewährt werden, wenn die leistungsberechtigte Person das Hilfsmittel selbst bedienen kann – entspricht nicht der Realität und den Erfordernissen. Ein Teil der Hilfsmittel ist auch dann zur Teilhabe an Bildung zwingend erforderlich, wenn das Kind oder der Jugendliche behinderungsbedingt (z. B. Tetraparese, schwere Muskeldystrophie) nicht in der Lage ist, z. B. den Rollstuhl selbst zu bewegen.
Wir empfehlen eine kleine Ergänzung zu § 36 a Absatz (4) Satz 2: „Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe, oder von deren notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist, sollen öffentliche Stellen, insbesondere andere Sozialhilfeträger, geeignete Institutionen des Gesundheitswesens, Rehabilitationsträger oder die Schule beteiligt werden“.
Für besonders beeinträchtigte Kinder und Jugendliche ist aus unserer Sicht eine Ergänzung zu §38a SGBVIII (neu) erforderlich. Hinzugefügt wird ein neuer Absatz (5):
(5) Soweit Kinder und Jugendliche, insbesondere solche mit schweren Mehrfachbehinderungen, in Sozialpädiatrischen Zentren, die nach §119 Absatz 1 ermächtigt wurden, behandelt werden, sind diese mit ihrer multi-professionellen Expertise in die Erstellung des Hilfe- und Leistungsplans einzubeziehen.
Die Partner im Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e. V. bieten der Jugendhilfe nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landes- und kommunaler Ebene an, die Umsetzung der Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe in einem gemeinsamen Prozess einer multidisziplinären Zusammenarbeit zu begleiten.
Die im Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e. V. beteiligten Verbände werden sich gerne – bei entsprechender Finanzierung – mit ihrer interdisziplinären Fachexpertise in die Hilfe- und Leistungsplanung einbringen. Das gemeinsame Ziel ist, den Rechtsanspruch von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen umzusetzen.
Für Rückfragen stehen wir weiter gerne zur Verfügung.
Das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit (Bündnis KJG) ist ein Zusammenschluss der Kinder- und Jugend-medizinischen Gesellschaften und Fachverbände Deutschlands, der Kinderkrankenpflege und der Elternver-bände. Das Bündnis KJG koordiniert die gemeinsamen Ziele und Aufgaben seiner Mitglieder zum Wohle von Kindern und Jugendlichen und vertritt diese Ziele nach außen gegenüber Gesellschaft und Politik.