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Gemeinsame Stellungnahmen

Konsenspapier: Sektorenübergreifende ambulante schwerpunktpädiatrische Versorgung

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Konsenspapier der Arbeitsgruppe Sektorenübergreifende Versorgung im Bündnis Kinder- und
Jugendgesundheit (Bündnis KJG)

Gute ambulante pädiatrische Versorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen

Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben laut UN-Kinderrechtskonvention einen Anspruch auf die bestmögliche medizinische Versorgung. Das muss selbstverständlich gerade auch für komplex und chronisch schwer kranke Kinder und Jugendliche gelten. Die Versorgung dieser Patient:innen erfolgt sowohl in schwerpunktpädiatrischen Kinder- und Jugendarztpraxen und kinderchirurgischen Praxen als auch in Kliniken bzw. Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin bzw. -chirurgie. Die Behandlung wird von Pädiater:innen mit Schwerpunkt oder Zusatzweiterbildung entsprechend der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer oder auch mit spezieller Kompetenz in Fachgebieten, die in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern nicht abgebildet sind (z. B. pädiatrische Immunologie, pädiatrische Schmerztherapie, Adipositas, angeborene Stoffwechselerkrankungen, Kinderschutz) durchgeführt. Im Weiteren wird für alle diese der Begriff Schwerpunktpädiatrie verwendet.

Beide Versorgungsbereiche (Schwerpunktpädiatriepraxen und ambulante Schwerpunktpädiatrie in Kliniken/Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin) müssen gesichert bzw. gestärkt werden. Die Schwerpunkt-orientierte Versorgung von komplex und chronisch kranken Kindern und Jugendlichen muss im vertragsärztlichen wie im Ermächtigungsbereich gesichert sein und bleiben. Das Bündnis für Kinder -und Jugendgesundheit hält es für sinnvoll und notwendig, neben den klinisch tätigen Ärzt:innen auch Vertreter:innen der niedergelassenen Ärzteschaft in die weitere Erarbeitung sachgerechter Empfehlungen auch im politischen
Bereich einzubinden.

Sicherung der ambulanten Versorgung in Praxis und Klinik

Für Kinder und Jugendliche, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzt:innen auf die Behandlung durch Kliniken angewiesen sind, müssen dort verlässliche ambulante Behandlungsoptionen geschaffen bzw. verstetigt werden. Aktuell erfolgt die Behandlung in den pädiatrischen Schwerpunkt-Bereichen der Kliniken/Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin in der Regel durch persönlich ermächtigte Ärzt:innen (§116 SGB V) bzw. Ambulanzen der spezialfachärztlichen Versorgung (ASV § 116b) und Hochschulambulanzen (§ 117).

Die Ermächtigungen zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung werden regional sehr unterschiedlich erteilt, stehen im Zulassungsausschuss als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung unter dem Vorbehalt von teils fachfremden Vertragsärzt:innen und sind im Falle der ambulanten Behandlung durch Krankenhäuser bei Unterversorgung nach 2 Jahren zu überprüfen. Für die antragstellenden Ärzt:innen und Kliniken/Abteilungen sind die Verfahren derzeit nicht ausreichend transparent, nachvollziehbar und oft nicht sachgerecht. Außerdem führt die Bindung der Leistungserbringung an persönlich Ermächtigte bei deren Ausfall (z. B. durch längerfristige Erkrankung) zu einem Wegfallen der ambulanten Schwerpunktbetreuung, selbst wenn die betroffene Klinik die Patientenversorgung durch andere Schwerpunktpädiater:innen gewährleisten könnte.

Einrichtung von Institutsambulanzen für Kinder und Jugendliche (KIA)

Die ambulante schwerpunktpädiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzt:innen auf die Behandlung durch Kliniken angewiesen sind, sollte daher auf eine breitere und sichere Grundlage gestellt werden.

Hierzu sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Institutsambulanzen für Kinder und Jugendliche (KIA) an Kliniken bzw. Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin zu errichten, die durch den Zulassungsausschuss zugelassen und in der Regel auf Überweisung von Kinder-und Jugendärzt:innen bzw. Kinder- und Jugendchirurg:innen tätig werden. Abweichungen vom pädiatrischen Überweisungsvorbehalt sind in unterversorgten Regionen u. U. notwendig.

Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine ausreichende ambulante schwerpunktpädiatrische Versorgung sicherzustellen. Die Ermächtigung ist an sächliche und personelle Voraussetzungen der Leistungserbringung geknüpft. Voraussetzung für die Erteilung einer Ermächtigung ist, dass die Einrichtung unter fachärztlich pädiatrischer Leitung steht. Die Leistungen in den schwerpunktpädiatrischen Institutsambulanzen sind von in den jeweiligen Schwerpunkten weitergebildeten Ärzt:innen zu verantworten.

Das Verfahren zur Erteilung von Zulassungen sollte bundeseinheitlich gesetzlich geregelt sein und somit einen höheren Grad von Harmonisierung, Transparenz und Standardisierung aufweisen.

Gute Versorgung durch Steuerung in geeignete Angebote

Das Angebot ambulanter schwerpunktpädiatrischer Versorgung ist regional unterschiedlich. Es gibt einerseits Regionen, in denen ein ausreichendes Angebot in der Niederlassung existiert, anderseits ist oft eine ausreichende Versorgung nur durch das Angebot von Hochschulambulanzen oder persönliche Ermächtigungsambulanzen an Kliniken zu erreichen. Nicht in allen Kliniken/Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin werden gleichermaßen alle Schwerpunkte in der ambulanten Versorgung vorgehalten.

Bei der Entscheidung über die Zulassung einer KIA durch die Zulassungsausschüsse ist daher die regionale schwerpunktpädiatrische Versorgungssituation zu beachten. Dabei gilt es auch, die Möglichkeit, dass niedergelassene Spezialist:innen im Rahmen der sektorenübergreifenden Versorgung in Kliniken tätig werden können, zu verbessern (analog ASV § 116b SGB V). Bei der gemeinsamen regionalen Versorgung durch pädiatrische Schwerpunktpraxen und KIA sollen Behandlungsprozesse und Behandlungsschwerpunkte im Sinne des optimalen Führens der Patient:innen durch die Angebotsstrukturen abgesteckt werden. Bei der Festlegung der Behandlungsprozesse muss berücksichtigt werden, welche technische und personelle Infrastruktur an welchem Ort verfügbar ist. Kinder- und Jugendärzt:innen behandeln Patienten mindestens bis zum Alter von 18 Jahren, daher darf ihnen auch die entsprechende schwerpunktpädiatrische Versorgung in der KIA und in der Niederlassung nicht verwehrt werden.

Weiterbildungsmöglichkeiten verbessern

Durch die Abbildung der pädiatrischen Schwerpunkte und Zusatzbezeichnungen in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern und damit im Leistungsspektrum der Praxen und Kliniken wurde erreicht, dass entsprechend spezialisierte Pädiater:innen weitergebildet und so die Versorgung schwer und chronisch erkrankter Kinder durch diese Spezialist:innen erfolgen kann. Um diese wesentliche Verbesserung der Versorgung auch in Zukunft zu erhalten, ist ein Ausbau und sichere Verstetigung der stationären und ambulanten Weiterbildungsmöglichkeiten in der Schwerpunktpädiatrie erforderlich. Neben den stationären Weiterbildungsmöglichkeiten stehen dazu zusätzlich Klinikambulanzen, schwerpunktpädiatrische Praxen sowie entsprechende Weiterbildungsverbünde zur Verfügung. Um ambulante Schwerpunktangebote zu stärken, bedarf es verbesserter und erweiterter ambulanter Weiterbildungsmöglichkeiten in Praxis und Klinik.

Hierzu ist die praktische Durchführung der Weiterbildung in der Schwerpunktpädiatrie auch ermächtigten Klinikärzt:innen zu ermöglichen. Dies ist derzeit aufgrund der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung noch nicht möglich. Auch in KIA muss zukünftig eine Weiterbildung in der Schwerpunktpädiatrie möglich sein.

Forderungen im Einzelnen:

  • Eine nachhaltige Sicherstellung der ambulanten schwerpunktpädiatrischen Versorgung derjenigen Patient:innen an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzt:innen auf die Behandlung durch ermächtigte Kliniken angewiesen sind. Dabei sind regionale Besonderheiten zu berücksichtigen.
  • Überweisungsvorbehalte und klare Patient:innensteuerung gewährleisten, dass hochspezialisierte ambulante Angebote für komplex erkrankte Patient:innen verfügbar bleiben.
  • Dafür sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die unabhängig von persönlichen Ermächtigungen im Rahmen gesicherter Qualitätsanforderungen
    eine langfristige Planbarkeit und Möglichkeiten zur ärztlichen Weiterbildung in Schwerpunkt-, Zusatzweiterbildungen und anderen Fachgebieten, die in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern nicht abgebildet sind, bieten.
  • Die Rahmenbedingungen, nach denen niedergelassene Pädiater:innen im Rahmen der sektorenübergreifenden Versorgung in Kliniken tätig werden, sind zu verbessern.
  • Eine aufwandsadäquate Finanzierung ambulant erbrachter schwerpunktpädiatrischer Leistungen erfolgt abhängig vom Leistungsumfang. Der
    Mehraufwand, den eine Behandlung von Kindern und Jugendlichen zwangsläufig mit sich bringt, ist in einer Finanzierungssystematik zu berücksichtigen. Das gilt sowohl für den vertragsärztlichen wie den Ermächtigungsbereich.
  • Zukünftig muss daher eine Finanzierungsstruktur entwickelt werden, in der die Leistungsabbildung in beiden Bereichen sektorenübergreifend auskömmlich gestaltet wird. Das ermöglicht eine gleiche Finanzierung der Leistungserbringung unabhängig vom Leistungsort in gleicher Weise (gleiche Leistung – gleiche Qualität – gleicher Preis).

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