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Parlamentarisches Frühstück 2019

Bericht zum parlamentarischen Frühstück „Verbesserung der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen“ am 23. Oktober 2019, Berlin

Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DAKJ) hatte am 23. Oktober 2019 Abgeordnete des Deutschen Bundestages zum Parlamentarischen Frühstück eingeladen, um sich gemeinsam dem Thema „Verbesserung der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen“ zu widmen. Dabei standen die drei Themen Masernschutzgesetz, das in diesen Tagen im Deutschen Bundestag verhandelt wurde, die Zukunft der Kinderkrankenpflege und Multiprofessionelle Betreuung chronisch kranker und behinderter Kinder im Fokus der Veranstaltung.

Neben dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus war auch die Torhüterin der Deutschen Fußball-Nationalelf Almuth Schult zu Gast.

Almuth Schult, Bild: VfL Wolfsburg/regios24

Nach der Begrüßung durch den Generalsekretär der DAKJ Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz zeigte Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ) Verbesserungsvorschläge für das geplante Masernschutzgesetz auf.

H.-I. Huppertz,
© dirk hasskarl/fotografie, http://www.hasskarl.de

„Mindestens eine von tausend Masernerkrankungen verläuft tödlich. Nicht geimpft zu sein, bedeutet nicht nur eine Gefährdung der ungeimpften Person selbst, sondern zusätzlich eine Gefährdung anderer, aus unterschiedlichen Gründen nicht geschützter Personen, wie etwa chronisch Kranke oder Säuglinge. Die größten Impflücken bestehen bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zurück zum Geburtsjahrgang 1971, da diese Personengruppen im Kindesalter nicht ausreichend geimpft wurden und da sie ihren bestehenden Impfbedarf zumeist nicht kennen. Gesetzliche Strategien zur Verbesserung des Masernimpfschutzes müssen daher unbedingt auch diese Altersgruppen einbeziehen“, erläuterte Fischbach. Im Sommer 2019 hatte das Bundesgesundheitsministerium erstmals einen Referentenentwurf für ein Masernschutzgesetz vorgelegt. Die Impfkommission der DAKJ hatte dazu eine umfassende Stellungnahme erarbeitet. Der nun vorliegende Kabinettsentwurf für das Masernschutzgesetz wurde dieser Tage in erster Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages verhandelt und durch eine Anhörung im Gesundheitsausschuss tiefergehend diskutiert. Auch Vertreter aus Organisationen der Kinder- und Jugendmedizin waren zur Anhörung geladen. Sie legten ihre Einschätzung zum Entwurf dar und unterstrichen zudem die besorgniserregende Entwicklung der Durchimpfungsraten der Impfungen gegen Diphtherie, Keuchhusten und Kinderlähmung. Mitte November erfolgen dann die zweite und dritte Lesung des Gesetzesentwurfes im Bundestag. 

T. Fischbach
© dirk hasskarl/fotografie, http://www.hasskarl.de

Almuth Schult, Ehrengast der parlamentarischen Veranstaltung,  war Anfang 2019 selbst an Masern erkrankt. In einem sehr persönlichen Bericht schilderte die Nationalkeeperin ihre Erfahrung mit der Masernerkrankung und deren beängstigenden Verlauf: „Ich habe mich noch nie in meinem Leben so schlecht gefühlt – ich wusste teilweise nicht, wie es ausgehen wird.“ Dabei appellierte sie ganz deutlich an alle Anwesenden: Nur mit einer ausreichenden Impfung kann man sich und andere sicher vor einer Masernerkrankung und deren Spätfolgen schützen!“ Zudem verglich sie die Einstellung zum Mannschaftssport Fußball mit der Haltung des Gesellschaft und des einzelnen zur Masernimpfung: nur mit Teamgeist kann man im Fußball gewinnen, nur mit Gemeinsinn, alle werden geimpft, kann man die Masern besiegen.

A. Schult
© dirk hasskarl/fotografie, http://www.hasskarl.de

Im Anschluss widmete sich Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), gemeinsam mit den Anwesenden der Frage, wie die Kinderkrankenpflege in Zukunft erhalten werden kann. Im Jahr 2018 hatte der Bundesrat im Rahmen des Pflegeberufereformgesetzes einer neuen Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung und damit der generalistischen Ausbildung der Pflegeberufe ab 2020 zugestimmt. Demnach können sich die Auszubildenden für das 3. Ausbildungsjahr für eine Spezialisierung der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege entscheiden. Dies hat der Gesetzgeber ausdrücklich so vorgesehen. Hintergrund ist Eine Umfrage des Verbandes leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands e. V. (VLKKD) aus Juni 2019 zeigte aber leider, dass diese spezialisierte Ausbildung nicht mehr ausreichend angeboten wird: 19 % der 138 befragten Krankenpflegeschulen bieten die Spezialisierung Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nicht mehr an, 34 % sind noch im Entscheidungsprozess, 47 % bieten die Ausbildung noch an. Krägeloh-Mann: „Eine im Gesetz festgelegte Bedarfsevaluation nach 6 Jahren wird sinnlos sein, wenn der Ausbildungsgang Gesundheits- und Kinderkrankenpflege  nicht mehr angeboten wird und ihn niemand mehr wählen kann.

I. Krägeloh-Mann
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Birgit Pätzmann-Sietas, Mitglied des Vorstandes des Berufsverbandes Kinderkrankenpflege Deutschland, Pflichtete dem bei: „ Auf lange Sicht wird es an qualifizierter Kinderkrankenpflege in den Kliniken fehlen – eine „Kinderkrankenschwester“ wird es dann nicht mehr geben!“ Dies wird zur Schließung von Betten oder ganzen Stationen führen, weil die vom GBA vorgeschriebenen Personaluntergrenzen nicht mehr erreicht werden können. Die Diskussion über und die Favorisierung der Generalistik hat bei den Krankenpflegeschulen zu Verunsicherung geführt.

B. Pätzmann-Sietas
© dirk hasskarl/fotografie, http://www.hasskarl.de

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus sicherte in seinem anschließenden Redebeitrag seine Unterstützung zu und forderte die Schulen auf das Gesetz zu beachten, einschließlich des Vorhaltens der Wahlmöglichkeit Kinderkrankenpflege. Er verwies jedoch auch klar auf die Verantwortung der Länder. Ihnen obliegt es nun, durch entsprechende Curricula und Kommunikation mit Pflegeschulen, den Erhalt der Kinderkrankenpflege zu gestalten und zu gewährleisten.

A. Westerfellhaus
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Wie wichtig eine qualifizierte Versorgung besonders für chronisch kranke und behinderte Kinder und Jugendliche ist, zeigte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V. (DGSPJ) Prof. Dr. Ute Thyen in ihrem Beitrag auf. Die Bedeutung der Familie, die Gesundheitskompetenz sowie die Ressourcen und die Leistungsfähigkeit der Eltern sind besonders bedeutsam – umso mehr, wenn eine chronische Gesundheitsstörung bei einem Kind vorhanden ist. „Moderne Behandlungsmöglichkeiten zielen meist auf eine Herstellung von guter Funktion ab, begrenzen Schmerzen und optimieren Wachstum und Entwicklung. Sie erfordern aber auch eine sehr hohe Anpassungsleistung aller Familienmitglieder – und Kraft.“ Daher benötigen die Patienten und ihre Familien Unterstützung aus mehreren sozialgesetzlichen Bereichen. , d.h. eine multiprofessionelle Expertise und Betreuung, die nicht nur punktuell bei Krisen, sondern lebensspannenübergreifend niedrigschwellig erreichbar ist. Damit dies gelingt, bedarf es Verbesserungen der Kooperationsmöglichkeiten, strukturelle Absicherung im Gesundheitswesen und einfacheren Zugang für betroffene Kinder und Jugendliche und ihre Familien.

U. Thyen
© dirk hasskarl/fotografie, http://www.hasskarl.de

Zum Abschluss fasste Professor Huppertz die Ergebnisse der Diskussion zu den 3 Themen zusammen und dankte allen Anwesenden für das gelungene gemeinsame Parlamentarische Frühstück und den regen Austausch. Auch die zahlreichen Gespräche vor und nach dem Frühstück zeigten, dass die angebrachten Themen noch weiter diskutiert werden und der Dialog zwischen Politik und Experten weiter verfolgt wird.  

Im Vorfeld hatten die Referenten die aus ihren Vorträgen abgeleiteten Forderungen an die Politik zusammengestellt. Sie können diese Forderungen hier nachlesen.

Weitere Eindrücke von der Veranstaltung erhalten Sie hier: