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Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)

Gemeinsame Stellungnahme des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V.), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ e.V.) mit ihrem Konvent-Mitglied Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM), der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ e.V.) und der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ e.V., Dachverband der Kinder- und Jugendmedizin)

Viele unserer Anregungen aus dem Prozess Mitreden – Mitgestalten aus dem Jahr 2019 wurden aufgegriffen und im Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen implementiert.

Grundsätzliches vorab
Die Kinder- und Jugendmedizinischen Verbände und Gesellschaften begrüßen die Änderungen im SGB VIII zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die durch den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugend-stärkungsgesetz – KJSG)“ zum Ausdruck kommen. Die im Gesetzentwurf adressierten Regelungen sind überfällig.

Mit dem Schwerpunkt zur Stärkung der Abwehr von Kindeswohlgefährdung wird ein wichtiger weiterer Schritt zum körperlichen und psychischen Schutz von Kindern und Jugendlichen angestrebt.

Die umfängliche Betrachtung von Kinderschutz in allen Einrichtungen ist notwendig.

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mit ihren Familien in eigener Sache zu betonen, ist zu begrüßen.

Die Stärkung der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, insbesondere der benachteiligten Menschen, ist zentrales Anliegen und wird von uns ausdrücklich unterstützt.

Die angestrebte Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Ärzt*innen sowie Angehörigen medizinischer Heilberufe nach einer Meldung auf Kindeswohlgefährdung bedarf weiterer Konkretisierung und Sicherheiten für die Leistungserbringer, um das Verfahren zu stärken. Dies betrifft ganz vorneweg auch eindeutige datenschutzrechtliche Regelungen, unter denen die angestrebte Kooperation gestaltet werden soll bzw. kann.

Die Errungenschaften des neuen KJSG müssen allen Kindern und Jugendlichen in gleichem Umfang zu Gute kommen, egal ob kassen- versichert oder privat-versichert oder nicht-versichert. Generell müssen analoge Honorarregelungen auch für Privatversicherte und Nicht – Versicherte (die es eigentlich nicht mehr geben sollte) geschaffen werden.

Pflege und Erziehungspersonen
Wir begrüßen, dass hier die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund stehen sollen. Die angestrebte Unterstützung und Begleitung muss dem Wohl des betroffenen Kindes/Jugendlichen dienen.

Ausdrücklich stimmen wir der Schaffung von Ombudsstellen zu.

Hilfen aus einer Hand sind dringend anzustreben, um Personen mit einem doppelten Hilfebedarf fachgerecht und ohne große bürokratische Hürden helfen zu können.

Die Kinder- und Jugendhilfe muss hier mit der Hilfe zur Eingliederung Hand in Hand die Belange der betroffenen Personen im Fokus haben um sachgerechte Hilfen anbieten und leisten zu können.

Stärkung der präventiven Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere bei psychosozialem Hilfebedarf mit dem Ausbau regionaler Angebote sind perspektivisch für den Lebensweg der Betroffenen entscheidend.

Detaillierte Betrachtung

Besserer Kinder- und Jugendschutz
Für einen wirksamen Kinderschutz bedarf es der Beteiligung und Verantwortung sowohl der gesetzlichen Krankenversicherung als auch der Ärztinnen und Ärzte sowie Angehöriger anderer Heilberufe an der Gefährdungseinschätzung durch das Jugendamt nach Meldung. Hier bedarf es einer Nachbesserung und Schärfung des Gesetzestextes in dieser möglichen Formulierung:

„… erste Anlaufstelle für Eltern mit Kindern sind Kinder- und Jugendärzt*innen. Hier entsteht über viele Jahre ein kontinuierlicher Kontakt zu den Familien und es entwickelt sich ein gutes Vertrauensverhältnis. Ärzte und Ärztinnen müssen geschult werden im Erkennen von Kindeswohlgefährdung, sie benötigen ein standardisiertes Verfahren im Umgang, vorhandene Netzwerke müssen verstärkt und fehlende aufgebaut werden. Der bilaterale Austausch mit der Kinder- und Jugendhilfe muss verpflichtend geregelt werden.

Ohne Rückmeldung an den meldenden Arzt*In ist die kontinuierliche Betreuung der Familien gefährdet und eine Kooperation im Sinne des Gesetzes nicht möglich.

Ebenso bedarf es einer angemessenen Finanzierung für die notwendige Tätigkeit im Kinderschutz und die zeitintensiven Gespräche mit Betroffenen und ihren Eltern, sowie der Austausch mit der Kinder- und Jugendhilfe sowie ggf. weiterer Einrichtungen/Institutionen wie beispielsweise Kindertageseinrichtungen und Schulen. Einbezogen werden muss ebenfalls die rechtssichere Schaffung der Möglichkeit eines konsiliaren fachlichen Austauschs mit weiteren ärztlichen Fachkollegen.“

Wir begrüßen sehr die Betonung einer Verantwortungsgemeinschaft von Jugendhilfe und Medizin im Kinderschutz. Die Veränderungen im §8a SGBVIII finden daher auch unsere besondere Zustimmung. Wir halten allerdings eine Klarstellung im Gesetzestext für erforderlich, dass sich die Einbeziehung der Expertise der Kinderschutzmedizin schon dann verbindlich ergeben muss, wenn für die Risikoeinschätzung des Jugendamtes medizinische Kriterien erheblich sind. In der bisherigen Textfassung wird das „nach fachlicher Einschätzung“ für erforderlich gehalten. In diese Einschätzung muss jedoch bereits das medizinische Wissen einbezogen werden.

Für diese Kooperationsleistungen zwischen dem Medizinsystem und der Jugendhilfe, die weit über bereits im Kollektivvertrag geregelte Obliegenheiten der Ärztinnen und Ärzte hinausgehen (Inhalte der Kinderfrüherkennungsuntersuchungen nach der Kinderrichtlinie sowie die im EBM implementierte sozialpädiatrische Erweiterungsziffer 04356 (die im Übrigen nur für einen Teil der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte abrechenbar ist (Qualifizierungsvorbehalt) und nur gesetzlich Versicherte betrifft), bedarf es einer Honorar-systematik, die außerhalb des Kollektivvertragssystems liegt. In diesem Zusammenhang halten wir einen neu zu schaffenden § 73c im SGB V für ein mögliches Vorgehen, abhängig von der konkreten Ausgestaltung. Grundlage für die Honorierung und ggf. zu vereinbarender Kooperationsverträge im Sinne dieses Gesetzes muss dabei die Gebührenordnung für Ärzte GOÄ sein. Die Problematik einer angemessenen Finanzierung betrifft neben dem ambulanten Sektor auch stationär erbrachte Leistungen z. B. durch Kinderschutzgruppen an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin, die in einer Komplexleistung (OPS 1-945) definiert sind. Das dahinterliegende Zusatzentgelt ist allerdings nicht bewertet und muss kranken-hausindividuell verhandelt werden. In jedem Fall ist eine Entsprechung dieser Leistung (Diagnostik bei Verdacht auf Gefährdung von Kindeswohl und Kindergesundheit) im stationären Bereich durch eine Absicherung der weiterführenden ärztlichen Tätigkeit im ambulanten Bereich anzustreben, damit es nicht zu einem Verlust an Kontinuität der interprofessionellen Intervention durch Ärzt*innen und Fachkräften der Jugendhilfe kommt.

Kommentare zu einzelnen Paragraphen KJSG

(Änderungsvorschläge/Ergänzungen sind kursiv gekennzeichnet)

    1. Erlaubnis Betrieb einer Einrichtung: §45 Die Stelle, die eine Erlaubnis erteilen kann, sollte benannt werden (z. B. Jugendamt).
    2. Auslandsmaßnahmen: §38. Bei Auslandsmaßnahmen sollte auch eine qualifizierte psychotherapeutische und ärztliche Betreuung garantiert werden.
    3. Einbeziehung des Gesundheitswesens, Rückmeldung: §8a 2. Personen, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen. Soweit die Datenübermittlung von Ärzt*innen erfolgt, sind diese über den laufenden Prozess zu informieren. Die Informationsverpflichtung ist Voraussetzung für eine adäquate ärztliche Weiterbetreuung betroffener Kinder und Jugendlicher bzw. ihrer Familie. Sie ist auch Voraussetzung für die gewünschte Verantwortungsgemeinschaft aller Beteiligter in einem Kinderschutzverfahren.
    4. Kooperation: §16 Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie Abs. 3 „Dabei muss die Entwicklung vernetzter, kooperativer und sozialraumorientierter Angebotsstrukturen unterstützt werden“. Wir regen eine Mussvorschrift an.

Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen.

Alle Punkte werden unterstützt.

Die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Familienpflege sowie das Kindeswohl an oberster Stelle zu sehen wird besonders begrüßt.

Kommentare zu einzelnen Paragraphen KJSG

§ 9a Ombudsstellen. Wir wünschen uns eine genauere Definition der Struktur der zentralen Ombudsstellen. Die aktuelle Formulierung „zentrale und regionale Ombudsstellen oder vergleichbare Strukturen arbeiten unabhängig und sind fachlich nicht weisungsgebunden“ lässt ganz unterschiedliche Strukturen zu und ist damit rechtsunsicher. Es hängt von der Verortung und den Ressourcen einer solchen Stelle ab, ob sie tatsächlich für Kinder, Jugendliche und Sorgebrechtigte erreichbar und zugänglich ist. Eine wirksame Anwaltschaft entsteht nur über eine fachliche Ausrichtung, die es auch Kindern oder belasteten oder bildungsfernen Eltern ermöglicht, ihre Anliegen dort vorzutragen. Die Ombudsstellen müssen vollumfänglich inklusiv ausgestattet werden, um Benachteiligungen zu vermeiden.

Hilfen aus einer Hand für Kinder mit und ohne Behinderungen

Diese Reform ist dringend notwendig, um fachgerecht und ohne größere bürokratische Hürden den betroffenen Personen passgenaue Hilfen zukommen zu lassen. Kritisch beurteilt wird der angesetzte Zeitraum von 7 Jahren. Die Funktion eines Verfahrenslotsen erst ab dem Jahr 2024 zu etablieren halten wir für verspätet. Da die Integration der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe ohnehin ohne weiteren Verzug umgesetzt werden muss, um die Vorgaben der UN Kinderrechtskonvention und der UN Behindertenrechtskonvention Genüge zu tun, ist zu erwarten, dass im Interesse der Familien aber auch der Fachkräfte eine langdauernde Unterstützung durch besonders ausgebildete und geschulte Verfahrenslotsen erforderlich sein wird. Die in den ersten Jahren angestrebte Neuorientierung der Jugendhilfe im Sinne der Inklusion kann nur gelingen, wenn währenddessen auch bereits positive Erfahrungen im Management der komplexen Anliegen von Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Einschränkungen der Teilhabe in der seelischen, geistigen und körperlichen Entwicklung gesammelt werden. Dies gilt umso mehr, wenn gleichzeitig Bedarf für psychosoziale Unterstützung, präventives Handeln oder Hilfen zur Erziehung notwendig sein. Die Verfahrenslotsen haben das Potential, als Scharniere zwischen den jetzt noch fragmentierten Systemen tätig zu sein.

Auch wenn die Umsetzung der inklusiven „großen“ Lösung in einem Stufenprozess vorgesehen ist, sollte bereits jetzt die Begriffsbestimmung für Behinderung aus dem BTHG eingefügt werden, die nicht nach Behinderungsart unterscheidet: „Kinder oder Jugendliche mit Behinderung sind diejenigen Kinder und Jugendlichen, die körperliche, geistige, seelische oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- oder Gesundheitszustand sowie die seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Kinder und Jugendliche sind von Behinderung bedroht, wenn eine Behinderung nach Satz 1 zu erwarten ist“.

Diese Begriffsbestimmung könnte bei §7 SGB VIII eingefügt werden.

Kommentare zu einzelnen Paragraphen KJSG

  1. § 10a Beratung. Hier sollte das Gesundheitswesen mit ärztlicher Beratung explizit auch benannt werden.
  2. § 10 b Verfahrenslotse zur Vermittlung von Eingliederungshilfeleistung: Wir plädieren für die sofortige Einrichtung von Verfahrenslotsen an allen Jugendämtern, die die betroffenen jungen Menschen und die Sorgeberechtigten parteilich für ihre Belange und in maximaler Partizipation der Betroffenen unterstützen und begleiten. Dies wäre auch eine erste Maßnahme, die in allen Begleitstudien und Berichten von Betroffenen erwähnte Hilflosigkeit und Überforderung durch die komplexe Sozialgesetzgebung abzuhelfen. Diese Verfahrenslotsen müssen einen unabhängigen Handlungsspielraum haben, sollten aber in den Jugendämtern angesiedelt sein, um den gemeinsamen Kompetenzaufbau zu ermöglichen.
  3. § 35a Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung: Die Begrifflichkeit sollte dem des Behindertenteilhabegesetzes entsprechen (s.o.). Im vorgelegten Referentenentwurf ist eine selektive Berücksichtigung der Kinder mit seelischer Behinderung vorgesehen. Zwar ist zu begrüßen, dass nun auch verstärkt Kinder mit körperlichen und geistigen Einschränkungen im Bereich der Jugendhilfe im Hinblick auf eine seelische Einschränkung untersucht und unterstützt werden sollen, aber nicht umgekehrt alle Kinder im Hinblick auf körperliche und geistige Einschränkungen in den Blick genommen werden.

Mehr Prävention vor Ort

Die direkte Inanspruchnahme ambulanter Hilfen für Familien in Notsituationen, ohne den Antrag beim Jugendamt, ist für die Betroffenen ein guter niedrigschwelliger Zugang und wird begrüßt.

Hilfreich ist die Kombination unterschiedlicher Hilfearten sowie Angebote zur Förderung der Erziehung in den Familien. Wir sehen positiv, dass insbesondere die Anregungen aus der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Situation von Kindern, die mit psychisch oder suchterkrankten Eltern aufgenommen wurden. Die Kinder in diesen Familien sind in hohem Maße von der Entwicklung psychischer Entwicklungsstörungen betroffen, so dass hier frühzeitig und passgerecht einsetzende präventive Angebote von besonderer Bedeutung sind.

Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien

Die Beteiligung von Kindern- und Jugendlichen in den Entscheidungsprozessen ist notwendig und wird unterstützt. Die Beteiligung der Kinder an allen Angelegenheiten, die ihr Leben und ihre Lebensumstände betreffen, darf dabei nicht als formaler Akt verstanden werden, sondern muss die Entwicklung des Kindes fördern und gestaltend entwicklungsangemessen erfolgen.

Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Hier bedarf es einer klaren Definition wie die Leistungen der Ärzt*innen in der Gefährdungs-einschätzung im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen auf landes- bzw. Stadt-/ Kreis-ebene honoriert werden.

Der Gesetzesentwurf zieht Änderungen in anderen Gesetzen nach sich, die wir wie folgt kommentieren:

Zu § 4 Absatz 7 (4)

„Wird das Jugendamt von einer in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Person informiert, soll es dieser Person zeitnah eine Rückmeldung geben, ob es die gewichtigen Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen bestätigt sieht und ob es zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen tätig geworden ist und noch tätig ist.“

Die Soll-Formulierung muss in eine Muss-Formulierung umgewandelt werden. Ein Soll-Formulierung bedeutet zwar Rechtsnorm, jedoch es bleibt ein gewisser Ermessensspielraum. Insbesondere aus ärztlicher Perspektive ist die Information über den laufenden Prozess zwingende Voraussetzung für eine zielgerichtete weitere Arbeit (s. Themenfeld 1). Dem Jugendamt sollte weiterhin die Befugnis erteilt werden, den mitteilenden Personen auch die getroffenen Maßnahmen mitzuteilen.

Artikel 3, SGB V, §73c

Die Regelung betrifft nur Vertragsärzte, somit bleiben Selbstzahler bzw. Privatversicherte außen vor (s.o.). Grundsätzlich muss hinterfragt werden, warum Zahnärzte explizit ausgeschlossen bleiben. Ein katastrophaler Zahnstatus kann Hinweis auf Kindsvernach-lässigung sein oder auch Zahnverletzungen als Folge von Gewalteinwirkung. Die Regelung muss unbedingt auch für Zahnärzte gelten. Sie müssen durch die Erhebung zahnärztlicher Befunde unbedingt intensiver in die Kinderschutznetzwerke eingbunden werden. In der AWMF – Kinderschutzleitlinie wird nachdrücklich die Bedeutung von Zahnärzten bei der Erkennung von Vernachlässigung und anderen Gefährdungen betont.

Wir begrüßen die Möglichkeit, von telemedizinischen Fallbesprechungen, möchten aber betonen, dass es mittels telemedizinischer Verfahren allein nicht fachlich verantwortbar ist, eine umfängliche Diagnostik im medizinischen Kinderschutz durchzuführen. Vorzugsweise sollte die Beteiligung der Vertragsärzte persönlich erfolgen.

Zu Artikel 6 BGB § 1696 Absatz 3

Schärfung des Wortlautes: das Kindeswohl muss vor den Interessen der Eltern/Pflegeeltern stehen.

„Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn der Gefährdung des Kindeswohls innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums auf andere Weise, auch durch öffentliche Hilfen anlässlich seiner Rückführung zu den Eltern, begegnet werden kann.“

Diese Formulierung setzt die sehr gute Dauerverbleibsanordnung quasi außer Kraft. Es müssen erst die öffentlichen Hilfen zu einer Verbesserung führen, dann Rückführung, nicht umgekehrt. Lediglich die Bereitstellung öffentlicher Hilfe ist dafür nicht hinreichend. Zudem erinnern wir daran, dass durch diese Regelung eine dauerhafte Perspektivklärung des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen konterkariert wird.

§ 1697a Absatz 2:

Sinnvoller wäre „… die Bedürfnisse des Kindes nach kontinuierlichen und stabilen Lebensverhältnissen haben Vorrang„, statt „müssen berücksichtigt werden“.

Abschließende Bemerkung:

Etwaige Änderungen unserer Stellungnahme im weiteren Gesetzgebungsverfahren behalten wir uns vor.

Hier die Stellungnahme als PDF.

Dipl.-Med. Hendrik Karpinski (Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin, DGKiM)
Dr. med. Sigrid Peter (BVKJ)
PD Dr. med. Burkhard Rodeck (DGKJ)
Prof. Dr. med. Ute Thyen (DGSPJ)
Dr. Gabriele Trost-Brinkhues (BVKJ)