Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,
vor rund einem Jahr – am 15. Juni 2015 – hat die Öffentliche Anhörung zu unserer Petition für die Einsetzung einer/s Bundeskinderbeauftragten stattgefunden. Hier zu einem Bericht: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw25_petitionen_kinderbeauftragter/378688
Unsere Petition hat aktuell 115.660 Unterstützer und ist damit eine der erfolgreichsten Petitionen des Deutschen Bundestages. (Hier zur Petition im Forum: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2015/_01/_29/Petition_57180.nc.html)
Bislang ist die von mir eingegebene Petition jedoch noch nicht abschließend behandelt worden und leider gibt es auch noch keine Pläne, einen eigenen Beauftragten für Kinder und Jugendliche im Bundestag einzusetzen.
Viele aktuelle Beispiele zeigen aber leider, dass wir dringlicher denn je eine bzw. einen Bundeskinderbeauftragte/n brauchen.
Als Beispiele mögen dienen: die Chancenungleichheit von Kindern und Jugendlichen in prekären Lebenslagen, der Umgang mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen sowie der Umgang mit Menschen, die als Minderjährige missbraucht wurden.
Der Umgang mit geflüchteten Minderjährigen
Gegenwärtig finden Kinderrechte bzw. die von Deutschland unterzeichnete UN-Kinderrechtskonvention bei der aktuellen Asylgesetzgebung keine ausreichende Beachtung: Familienzusammenführungen werden durch das Asylpaket II um zwei Jahre verzögert. Dies ist eine sehr lange Zeit im Leben eines Kindes, und immer mehr Kinder und Jugendliche sind hiervon betroffen.
Das geplante Integrationsgesetz lässt minderjährige Geflüchtete und deren Wohl völlig außer Acht. Hier spielen die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen – an einem Ort sicher anzukommen, gut versorgt zu sein (in Bezug auf Unterbringung, Gesundheit und Bildung bzw. Betreuungsangebote) und dadurch automatisch besser integriert zu werden – keine Rolle.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die vor Krieg und Gewalt fliehen, werden häufig an den deutschen Grenzen abgewiesen mit der fadenscheinigen Begründung, diese hätten kein Schutzersuchen gestellt.
Behinderte Flüchtlinge sowie chronisch und seelisch erkrankte Flüchtlinge erhalten nicht die Unterstützung, die sie verdienen – auch nicht Kinder und Jugendliche, die ebenfalls nur einen Anspruch auf Versorgung bei akuten Erkrankungen haben. Dadurch wird die Integration dieser Betroffen erheblich erschwert.
Der Umgang mit armen Kindern bzw. Familienarmut
Rund 20 Prozent aller Kinder eines Geburtsjahres leben in Deutschland in Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status bzw. gelten als arm. Diese Kinder haben auffallend häufiger gesundheitliche Probleme, aber insbesondere auch Störungen der Entwicklung ihrer Grundfähigkeiten: der Sprachentwicklung, der kognitiv-intellektuellen Entwicklung und des Sozialverhaltens.
Seit vielen Jahren mahnen wir Kinder- und Jugendärztinnen und –ärzte an, dass die Politik hier Maßnahmen treffen sollte, die hier für Chancengerechtigkeit sorgen – bislang ohne Erfolg. Vor allem aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, eine Petition für die Einsetzung eines eigenen Beauftragten für die Kinder und Jugendlichen zu starten.
Der Umgang mit verletzten Kinderrechten und Opfern von Missbrauch
Eigentlich sollen Bund und Länder je 50 Millionen Euro in den Hilfsfonds für Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien einzahlen. Trotz drohender Finanzierungsprobleme im Hilfsfonds für die Opfer lehnen 14 Bundesländer eine finanzielle Beteiligung jedoch weiter hartnäckig ab.
Bisher stellte der Bund rund 50 Millionen Euro für Therapien und Lebenshilfe bereit. Mecklenburg-Vorpommern und Bayern zahlten zusammen rund 8 Millionen ein. Alle anderen Bundesländer verweigern jedoch Zahlungen – oft mit Hinweis auf die Verantwortung des Bundes. Auch hieran sieht man wieder einmal exemplarisch, dass Verantwortung wie oft auf die jeweils andere vermeintlich zuständige Ebene geschoben wird, statt diese zu übernehmen.
Eine eigene Beauftragte bzw. ein eigener Beauftragte für die Kinder und Jugendlichen könnte hier öffentlichkeitswirksam Probleme anprangern, Zuständige zusammenführen und auf Lösungen drängen. Er sollte dabei mit deutlich mehr Befugnissen als die Kinderkommission ausgestattet sein und über eigenes Personal verfügen.
Wie geht es nun weiter?
Wir stehen per Facebook in stetem Austausch mit unseren Unterstützerinnen und Unterstützern: https://www.facebook.com/kinderbeauftragter.
Unsere Unterstützer – die Kinder und Jugendlichen selbst, deren Familienmitglieder und solidarische Erwachsene – wollen wissen, warum unsere Petition noch immer nicht abschließend behandelt worden ist – ein Jahr nach der öffentlichen Anhörung.
Wir bitten Sie daher noch einmal, sich für die Einsetzung einer bzw. eines Bundeskinderbeauftragten stark zu machen! Wenn Geld vorhanden ist für einen Wehrbeauftragten (ausgestattet mit einem großen Finanzvolumen und einem entsprechenden Personalapparat), so müssten doch auch die Kinder und Jugendlichen eine eigene starke Stimme im Bundestag bekommen. Denn gegenwärtig werden deren Rechte nicht genug beachtet.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. med. Manfred Gahr
Generalsekretär der DAKJ e.V.