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Europäische Pädiater kritisieren AAP-Stellungnahme zur Beschneidung

Pressemitteilung

Heftige internationale Proteste von Ärzten gegen die neue Stellungnahme der American Academy of Pediatrics (AAP) zur Beschneidung von kleinen Jungen: „die Beschneidung ist mit den Kinderrechten und dem hippokratischen Eid unvereinbar und sie kann schwerwiegende Langzeitfolgen haben.“

Führende Ärzte und Hochschullehrer aus vielen Ländern kritisieren in einem gemeinsamen Artikel die Stellungnahme der American Academy of Pediatrics (AAP) zur medizinisch nicht indizierten Beschneidung von kleinen Jungen. In diesem Artikel, der am 18. März 2013 online in der Zeitschrift Pediatrics publiziert wird, stellen die europäischen Pädiater fest, dass die Beschneidung keinen überzeugenden gesundheitlichen Nutzen hat. Sie kann jedoch langfristige Nachteile haben, besonders im urologischen, psychologischen und sexuellen Bereich. Die Beschneidung ist auch eine Verletzung der Kinderrechts-Charta der Vereinten Nationen. Sie widerspricht dem ärztlichen Grundprinzip: nil nocere, dem Patienten keinen Schaden zuzufügen. Ärzte und Ärzteorganisationen sollten daher die Eltern von ihrem Vorhaben abbringen, ihre gesunden Knaben beschneiden zu lassen.

Am 18. März erscheint online in der renommierten wissenschaftlichen Zeitung Pediatrics ein Artikel, der sich gegen die Stellungnahme der AAP zur Beschneidung vom August 2012 wendet. Dieser Artikel wurde von 38 Ärzten und Hochschullehrern aus 16 europäischen Staaten und aus Kanada verfasst. Hierunter sind Präsidenten und Funktionäre nationaler Ärzteverbände, kinder- und jugendärztlicher- und kinderchirurgischer Gesellschaften.

Sie kritisieren, die Behauptung der AAP eine Beschneidung habe bedeutungsvolle gesundheitliche Vorteile. Die angeführten gesundheitlichen Vorteile sind fraglich und darüber hinaus ohne jegliche praktische Bedeutung in der westlichen Welt. Nach Meinung der AAP schützte eine Beschneidung gegen Harnwegsinfektionen im Kindesalter, sie vermindere das Risiko von HIV/AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten sowie die Häufigkeit von Peniskrebs. Harnwegsinfektionen treten jedoch im ersten Lebensjahr nur bei einem von 100 Jungen auf und sind einfach mit Antibiotika zu behandeln. Bei einer Komplikationsrate von 2 % würde eine leicht zu behandelnde Harnwegsinfektion um den Preis zweier Komplikationen durch Beschneidungen verhindert. Komplikationen könnten in einer Nachblutung, einer Infektion oder im schlechten Falle in schwerwiegenden Problemen bis hin zum tödlichen Ausgang bestehen.

Daten aus der westlichen Welt unterstützen die Annahme nicht, dass die Beschneidung von Jungen eine Ausbreitung von HIV/AIDS oder anderer sexuellübertragbaren Erkrankungen eindämmen könnte. Dieser Erkrankungen sind in den USA, wo etwa 75-80 % aller Männer beschnitten sind, viel häufiger als in Europa mit einer Beschneidungsrate von 5-10 %. Die Beschneidung ist eindeutig keine wirksame allgemeine Vorbeugemaßnahme gegen HIV/AIDS oder andere sexuell übertragbaren Erkrankungen.

Peniskrebs ist eine extrem seltene Erkrankung. Sie betrifft etwa einen von 100.000 älteren Männern. Peniskrebs kommt in den USA und in Europa gleich häufig vor. Dies belegt, dass eine Beschneidung keine wirksame Vorbeugemaßnahme dagegen sein kann. Die Autorengruppe weist auch darauf hin, dass die Vorhaut nicht nur ein bedeutungsloses Stück Haut ist. Sie sei ein stark innerviertes Organ, das die Eichel schütze und eine wichtige Rolle bei der mechanischen Funktion des Penis in der Sexualität einnehmen.

Als Koautoren des Artikels aus den pädiatrischen und kinderchirurgischen Verbänden in Deutschland stellen wir fest: „Ärzte der westlichen Welt außerhalb der USA können die neue Stellungnahme der American Academy of Pediatrics zur Beschneidung von Jungen nicht unterstützen. Es gibt keine überzeugenden Gesundheitsargumente für eine medizinisch nicht indizierten Beschneidung in der westlichen Welt. Die Beschneidung von kleinen Jungen ohne medizinische Indikation steht im Gegensatz zu den ärztlichen Prinzipien. Mit einer Beschneidung sollte so lange gewartet werden, bis die Jungen alt genug sind, selbst zu entscheiden.

Artikel ab 18.3.2013 bei „Pediatrics“ abrufbar:
Morten Frisch, Yves Aigrain, Vidmantas Barauskas, Ragnar Bjarnason, Su-Anna Boddy, Piotr Czauderna, Robert P.E. de Gier, Tom P.V.M. de Jong, Günter Fasching, Willem Fetter, Manfred Gahr, Christian Graugaard, Gorm Greisen, Anna Gunnarsdottir, Wolfram Hartmann, Petr Havranek, Rowena Hitchcock, Simon Huddart, Staffan Janson, Poul Jaszczak, Christoph Kupferschmid, Tuija Lahdes-Vasama, Harry Lindahl, Noni MacDonald, Trond Markestad, Matis Märtson, Solveig Marianne Nordhov, Heikki Pälve, Aigars Petersons, Feargal Quinn, Niels Qvist, Thrainn Rosmundsson, Harri Saxen, Olle Söder, Maximilian Stehr, Volker C.H. von Loewenich, Johan Wallander, Rene Wijnen. Cultural Bias in the AAP’s 2012 Technical Report and Policy Statement on Male Circumcision. Pediatrics 2013 131 (4) [link]